»Der Körper kann nicht lügen«
Wie Daudi Simba, Azubi am Stadttheater, seine Fluchtgeschichte mit Tanzen verarbeitet
Unglaubliche Last für den, der allein mit 15 Jahren von der Familie weg muss, um sein Leben zu retten. Glück demjenigen, der einen Weg geschenkt bekam, die Erfahrungen der Flucht zu verarbeiten. Beides trifft auf Daudi Simba zu, 23 Jahre alt und Auszubildender am Theater Freiburg. In einer eigenen Choreografie tanzt der gebürtige Ugander auf der städtischen Bühne seine Fluchterfahrungen. Nachdem er mit dem Stück auf Kampnagel in Hamburg aufgetreten war, bekam er Einladungen nach Hannover und Paris.
»Irgendwie fühle ich, dass ich tanzen muss.«
Getanzt hat Daudi Simba immer schon und überall. Wenn an Weihnachten im Dorf seiner alten Heimat Uganda ein Coca-Cola-Laster vorbei kam, wollte er als kleiner Junge auf dessen Bühne und tanzen. Er lernte afrikanische Tänze bei Festen, tanzte vor der Familie. Mit 15 aber musste er Familie und Heimat verlassen. Als junger Mann und Angehöriger der Luo-Acholi, eine in Uganda, Kenia und Tansania verbreiteten ethnischen Gruppe mit eigener Sprache, war er begehrtes Ziel der Rebellen. Wenn er überleben wollte, blieb ihm nur die Flucht. Rund zwei Jahre schlug er sich allein von Dorf zu Dorf durch, arbeitete sich von Land zu Land, landete schließlich in Karlsruhe. "Als Kind konnte ich schon kulturelle Vielfalt erleben. Auf der Flucht noch mehr", erzählt er. "Man muss sich immer anpassen." Sieben Sprachen spricht er jetzt, Deutsch fließend. "Aber das einzige, was immer gleich ist, ist der Körper und seine Sprache. Das ist tief in mir verankert", so Simba.
»Tanz ist die beste Möglichkeit, Gefühle auszudrücken, ohne jemanden zu verletzen. Man verbindet sich, hat die gleichen ekstatischen Gefühle und der Hass bleibt außen vor.«
In Karlsruhe kommt er in eine Einrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Einmal stand er an der Straßenbahnhaltestelle, hörte Musik und fing an zu tanzen. Das sah ein Tänzer aus Freiburg, sie kamen ins Gespräch. Simba besuchte ihn zwei Mal. Seitdem wollte er hierher. Da er in der Schule sehr gut war, hatte er Freiheiten und: "Ich habe einfach kein Nein verstanden." Also schaffte er es offiziell nach Freiburg, ging in die Römerhofschule. Und wieder tanzte er. Der Rektor sah das auf dem Pausenhof, vermittelte ihn an Margarete Mehring, die schon viele Bühnen-Projekte mit jungen Migranten realisiert hat. "Ich hatte immer eine Sperre, von meiner Flucht zu erzählen. Das war mir unangenehm", erzählt er. "Das Tanzen war der Ausgleich. Er ist die Dekodierung dessen, was man spürt." In dem Projekt stand er endlich wirklich auf einer Bühne und konnte sich ausdrücken. "Das Tanzen war immer auch Therapie. Hinterher ging es mir jedes Mal besser", erklärt Simba.
